500 Jahre Rickert

Die Gemarkung Rickert liegt auf der Schleswiger Geest. In dem Erdbuch des Königs Waldemar II. von 1231 wird dieses Gebiet als Fraezlet bezeichnet. Gemeint ist damit der mittlere Teil des Gebietes zwischen Eckernförde, dem Dannewerk und der Eider. In älteren Topographien und im "Heimatbuch des Kreises Rendsburg von 1922" heißt es u. a.: Das Dorf Rickert liegt ca. 2 km nördlich von Rendsburg. Die Nachbarorte sind Büdelsdorf, Alt Duvenstedt und Borgstedt. Zur Gemeinde gehören auch die Ortsteile Duten (1 km westlich vom Dorf), Ahrenstedt (5 km westlich an der Schleswiger Chaussee) und Kamp (südlich vom Dorf, am Weg nach Büdelsdorf). Das Dorf ist winkelförmig angelegt. In der Mitte des Dorfes steht die Friedenseiche, im Westen des Dorfes die Doppeleiche. Nördlich vom Dorf ist ein Platz, der als "Karkhoff" bezeichnet wird. Hier sollen während der Pest die Toten begraben worden sein. Das Dorf hat etwa 270 Einwohner (1922). Das Areal umfaßt 548 ha, davon sind 410 ha Acker und Weide, 138 ha Wiesen und Moore. Der Acker ist von mittlerer Güte, die Wiesen sind ertragreich.

Diese Beschreibung gilt auch heute noch. Im Ortskern ist die Winkelform noch immer erhalten. An der Einfahrt zum Brenkhof steht noch die Friedenseiche (seit 1871, nach Beendigung des Deutsch-Französischen Krieges) an der Schmiede die Doppeleiche. Letztere soll die Unteilbarkeit von Schleswig und Holstein symbolisieren. Das Gebiet umfaßt heute 552 ha. Die Einwohnerzahl hat sich allerdings geändert, sie beträgt ca. 900.

Der Karkhoff war da, wo sich heute das Ehrenmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege befindet. Die Annahme, dass der Ortsname Rickert durch die Besiedelung von Ricklingen aus entstanden ist, dürfte nicht haltbar sein. Laur weist in seinem Historischen Ortsnamenlexikon darauf hin, daß der Name Rickert aus dem niederdeutschen Wort "Riek" = Holzstange entstanden sein könnte.

Rickert, "uppe Rickelinge", "Ryckert", "Rikkerde", "Riquart", "Rickels" wird 1470 erstmalig in einer Urkunde erwähnt. Dabei handelt es sich um einen Pfandbrief, in dem der dänische König Christian dem Knappen Clawesz van der Wisch für eine Schuld von 2500 Lübschen Mark einige Dörfer, darunter "Borchstede, Lehmbeke, tom More, Schulendorppe, Duvensted mit dem Acker uppe Rickelinge" als Pfand überläßt.

Auf die ersten Besiedelungen in der Jüngeren Steinzeit weisen die Funde an Waffen und Werkzeugen aus dieser Zeit hin, die Klaus Joachim Sievers zu einer ansehnlichen Sammlung zusammengetragen hat.

Bei Ausgrabungen auf dem "Karkhoff" sind Urnen gefunden worden, die auch auf eine frühe Besiedelung hinweisen. Die ersten festen Ansiedler lassen sich anhand des Steuer- und Erdbuches von 1540 nachweisen. Im Jahr 1540 und in den Folgejahren 1541 und 1542 wird der Ort Rickert in den Amtsrechnungen (Steuerlisten) unter Rickert aufgeführt. Aus dem o. a. Pfandbrief geht hervor, daß Rickert zu Duvenstedt gehörte, und so sind die Rickerter in den vorliegenden Amtsrechnungen von 1554, 1557 und 1565 unter Duvenstedt aufgelistet. Erst ab 1570 werden die Rickerter Steuerzahler in den Listen wieder unter Rickert geführt. Aufgrund der Zugehörigkeit zu Duvenstedt, das schon 1328 erstmalig erwähnt wird, ist es also auch möglich, daß die ersten Ansiedler aus Duvenstedt gekommen sind.

1540 gab es in Rickert 2 Vollhufen und 1 Kate:
Carsten Hallingk Hufner
Peter Schröder Hufner
Johann Neue Kätner

Unter Duvenstedt wird ein Jürgen Sicke als Hufner erwähnt. Dieser könnte Besitzer der Stelle in Duten gewesen sein. Die Schreibweise der Namen war immer sehr unterschiedlich. Man hat so geschrieben, wie man es gehört hat. So wird im gleichen Jahr an anderer Stelle aus Carsten Hallingk - Kasten Holden.
Hallingk = Holden = Holling
Neue = Neve = Näve

Die Stellen Hallingk und Schröder zahlten 1540 an jährlicher Hüre-Pflicht (Pacht) je 3 Mark, Johann Neue 8 Schilling. 1541 zahlte man an Schweinefemme (Mastgeld) je Schwein 4 Schilling. Schröder und Hallingk hatten je 5 Schweine, der Kätner Neue keine. An Pflugsteuer zahlten die Hufner 6 Mark, die Kätner 4 Schilling. Leider lassen sich diese Familien nicht weiter verfolgen. Wie schon vorher erwähnt, wurde Rickert in den vorliegenden Amtsrechnungen (Steuerlisten) von 1554, 1557 und 1565 nicht gesondert, sondern mit unter Duvenstedt aufgeführt. Die Namen Schröder und Neue tauchen hier aber schon nicht mehr auf, nur noch Holden und Sicke. Dafür erscheinen aber schon die Namen, die ab 1570 in Rickert nachgewiesen werden können: Stampe, Krohn, der erwähnte Holden und als Kätner ein Marquart Holsten. Letzterer könnte der 1570 in Rickert aufgeführte Kätner Marten Holden sein. Carsten Hallingk (Holden) dürfte 1540 der Besitzer der heutigen Stellen Nr. 53 und Nr. 54 gewesen sein, die damals noch zusammen eine Vollhufe bildeten.

Peter Schröder ist sicher der Mann gewesen, nach dem das heutige Wohngebiet "Schröders Wisch" benannt ist. Die Flurbezeichnung "Schröders Wisch" findet sich schon in der Untertaneninventarliste von 1709 auf der Stelle Mumm (26) und auf der ersten Karte, die anläßlich der Verkoppelung 1780 erstellt worden ist.

Wenn man annimmt, daß diese Wiese immer von dieser Hufe genutzt worden ist, dann wäre Schröder der erste Besitzer der heutigen Stellen Nr. 24 und Nr. 26 gewesen. So kann es gewesen sein!

Ab 1570 sind die Hufner in Rickert lückenlos nachweisbar.
Es gab zu der Zeit:
1 Halbhufe in Duten,
3 Vollhufen in Rickert,
1 Kate in Rickert.

Wenn man sich Rickert um 1970 vor Augen führt (Karten), so hat sich bei den Höfen kaum etwas verändert:

Die Halbhufe in Duten gibt es heute noch. Aus den 3 Vollhufen von 1570 in Rickert sind um 1665 bis 1700 sechs Halbhufen geworden. und diese 6 Stellen gibt es auch heute noch:

aus der Vollhufe Krohn wurden
- Halbhufe Gosch (24)
- Halbhufe Sievers (26)

aus der Vollhufe Stamp wurden
- Gastwirtschaft Peters (27)
- Halbhufe Boyens (28)

aus der Vollhufe Holden wurden
- Halbhufe Drews (53)
- Halbhufe Peters (54)

aus der Kate Holden wurde
- Viertelhufe Sievers (113)

aus der Kate in Ahrenstedt, erst 1610 erbaut, wurde
- Viertelhufe Mohr (118)

Hinzugekommen sind die Stellen:
Engel - Rohwer (69)
Peters - Koll (64)
Drews (14)

Die beiden letzteren und die Stelle Nr. 54 haben ihren landwirtschaftlichen Betrieb eingestellt.

Die Bezeichnungen Voll-, Halb- oder Viertelhufe, Kate oder Instenstelle, die es heute nicht mehr gibt, die aber 1933 noch verwendet wurden, stellen nicht unbedingt eine Aussage über die Größe der jeweiligen Stelle dar, sondern eine Bewertung nach dem Steueraufkommen. Die Höhe der Steuer ergab sich aus der Qualität des Landes und nicht aus der Quantität. Eine Halbhufe zahlte eben die Hälfte der Steuer einer Vollhufe. Eine Kate unterschied sich von der Viertelhufe meist nur im Viehbestand. Eine Instenstelle war meistens eine kleine Kate, die der Inste (Häuerling) von einem Hufner gemietet hatte. Bei diesem Hufner stand er meistens auch in Diensten. Selten hatte eine Inste ein eigenes Haus (Eigeninste). An Vieh hatte er selten mehr als ein paar Schafe oder Ziegen.

Sicher sind die Häuser innerhalb der Hofstelle bei den jeweiligen Neu- oder Umbauten verändert worden, aber im Grunde stehen sie 1970 noch an der gleichen Stelle wie 1570. Die Besitzfolge seit 1570 bis heute ist aus der Chronologie der Familien und der Häuser ab Seite 49 ersichtlich. Hinweis der Homepage-Redaktion: Die Chronologie der Familien ist nur in der gebundenen Fassung ersichtlich.

An anderer Stelle wurden schon die Amtsrechnungen erwähnt. Dies sind die Steuerlisten von früher. Auch schon 1570 mußten Steuern gezahlt werden. Aus den Listen ist auch ersichtlich, daß es den Hufnern, Kätnern und Insten nicht immer leichtgefallen ist, die Steuern aufzubringen.

Wofür mußten denn Steuern gezahlt werden und an wen? Da war zunächst die Hüre (eine Art Pacht), die der Landesherr von seinen Untertanen erhob. Den Hufnern und Kätnern gehörte zwar das Haus und ein bißchen Land ums Haus, der sogenannte Kohlhoff, und das tote und lebende Inventar im Haus, aber das Land, das die Dorfschaft gemeinschaftlich nutzte, gehörte dem jeweiligen Landesherrn. So waren an Steuern zu zahlen: jährliche Pflichten, Jägergeld, Postfuhrgeld, Dingzehrung, Immengeld, Schweinefemme, Hühnergeld. Dazu kamen Brüchegelder (Strafgelder), Festegeld, wenn der Besitz gefestet (festgeschrieben) wurde. Wenn diese Abgaben nicht reichten, wurden zusätzliche Steuern eingeführt als Herrengeld, Fräuleinsteuer (Prinzessinnensteuer), Quartiergeld, Kriegssteuer usw. Für uthgeradet Land, das der Hufner für sich nutzbar gemacht hatte, mußte Steuer bezahlt werden.

Die Schweinefemme wurde erhoben für Schweine, die in den Wäldern, in denen es viele Eicheln und Eckern gab, gemästet wurden. Im Jahre 1611 wurde in Rickert diese Steuer für 99 Schweine gezahlt! Das Immengeld wurde pro Bienenstock berechnet. Gefestet wurde eine Stelle nur auf Lebenszeit. Es gab also keine automatische Erbfolge, obwohl die Stelle fast immer vom Vater auf den Sohn oder die Tochter überging. Dingzehrung wurde gezahlt für die Unterhaltung des Hardesgerichtes, des Hardesdings. Dieses Gericht war zuständig für alle Vergehen, die im Bereich der Harde begangen worden waren. An erster Stelle lag der Holzdiebstahl. Die Einwohner holten sich das Holz, das sie zum Bau oder als Brennmaterial brauchten, aus den nahen Wäldern. Die Obrigkeit hatte bald erkannt, daß diese Praxis mit der Zeit zur Vernichtung der Wälder führen würde, und bestrafte diese Vergehen mit so genannten Brüchen.

Um Rickert muss es früher auch einige Wälder gegeben haben. Darauf weisen die Flurbezeichnungen hin, die mit -horst enden. Aus diesen Wäldern soll das Holz für den Aufbau des Rendsburger Kornwerkes um 1700 geliefert worden sein.

Brüche wurden auch erhoben für Beleidigungen und für Hauerie. So mußte 1626 ein Rickerter Hufner 2 Tlr Strafe zahlen, weil er eine Frau in Fockbek eine Zaubersche genannt hatte. Hüre mußte auch bezahlt werden für Ländereien, die außerhalb des Dorfes lagen. So hatten die Rickerter Hufner Wiesen in Duvenstedt und im Rendsburger Koog, teilweise bis in die Nähe von Tellingstedt. Das Heu wurde mittels Kähnen auf der Eider transportiert.

Um 1780 wurde die Feldgemeinschaft aufgehoben und das Land entsprechend dem Steueraufkommen den einzelnen Hufnern und Kätnern zugeteilt. Bis dahin war die urbare Feldmark in einzelne Schläge aufgeteilt, die von den Hufnern nach einer bestimmten Fruchtfolge bewirtschaftet wurden. Als Weide kannte man nur die Gemeindeweide, auf der das gesamte Vieh der Dorfschaft vom Dorfhirten gehütet wurde. Die Verkoppelung zog sich über einige Jahre hin. Es wurde sowohl das von der Qualität her gute Land als auch das Land von minderer Qualität möglichst auf alle verteilt.

Auf der Karte, die anläßlich der Verkoppelung erstellt worden ist, ist die Neuverteilung auf "Stücken" gut zu erkennen. Die Zahlen 1 bis 7 stehen für die 7 Rickerter Hufner. Auf der gleichen Karte sind die Gebäude, die zu der Zeit vorhanden waren, eingezeichnet. Das Gleiche, was auf dieser Karte über den Ort Rickert ausgesagt wird, ist auf der nächsten Karte auch für Duten und Ahrenstedt zu erkennen. Zu dieser Zeit wurde auch vom dänischen König angeordnet, daß die einzelnen Grundstücke mit "Pathwerk" eingezäunt werden. Dieses diente nicht nur als Abgrenzung, sondern vor allem als Schutz gegen Sturm und Schnee und sollte die Bodenerosion verhindern. Dies ist der Anfang der Knicks.

Kriege und Seuchen gingen auch nicht spurlos an Rickert vorbei. Die Pest, die um 1630 in Schleswig-Holstein gewütet hat, hat auch hier ihre Opfer gesucht. Dazu kamen der Dreißigjährige Krieg und der sogenannte Pollackenkrieg 1655. Aus diesem Grund wurde den Untertanen im Jahre 1630 ein Teil der Steuern erlassen. Eine weitere Pestseuche soll um 1712 geherrscht haben. Während der Pest durften keine Toten außerhalb des Dorfes beerdigt werden. Diese Toten wurden auf dem schon erwähnten "Karkhoff" beigesetzt. Um 1633 werden die Halbhufe in Duten und die Kate in Ahrenstedt als wüst bezeichnet, d. h., die Stellen wurden von ihren Besitzern verlassen. In Duten kann der Grund die Pest oder der Krieg gewesen sein; in Ahrenstedt hat der Besitzer die Stelle aus persönlichen Gründen verlassen. Beide Stellen wurden im gleichen Jahr wieder besetzt, die Stelle in Ahrenstedt hat sechs Jahre später sogar wieder einen gleichnamigen Besitzer (Sohn?). Die Stellen in Rickert erfuhren keine Änderung dieser Art. Die Namensänderungen in den Besitzverhältnissen dürften in den meisten Fällen auf Einheirat zurückzuführen sein.

Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges ist nichts Direktes über Rickert ausgesagt. Der Ort dürfte aber genauso unter Raub und Gewalttaten gelitten haben wie andere Dörfer im Rendsburger Umland auch, besonders während der Belagerung der Festung Rendsburg. Es wurde ja auch, wie schon erwähnt, den Untertanen ein Teil der jährlichen Lasten erlassen. Um 1808 hatte Rickert französische Soldaten als Quartiergäste (siehe dazu das Kapitel "Geschichte(n) um Rickert"). Man hatte auch russische und schwedische Einquartierung. Aus einer Aufstellung des Hufners Jacob Sievers ist zu erkennen, welchen Schaden er durch die feindlichen Truppen erlitten hat (Kosacken um 1813). Zur Zeit der schleswig-holsteinischen Befreiungskriege hatte Rickert österreichische Soldaten im Dorf. Sie gehörten zu den Reichstruppen. Als die Dänen näherrückten, zogen sich diese Reichstruppen bis südlich der Eider zurück. um zu verhindern, daß sich die Dänen in Rickert festsetzten, wurde das Dorf zum Abbrennen vorbereitet. Die Dorfbewohner verließen das Dorf. Zurück blieben nur ein paar Leute, die das Dorf beim Heranrücken der Dänen in Brand setzen sollten. Die Dänen zogen sich aber wieder zurück und das Dorf blieb vom Feuer verschont. Brandkatastrophen hat es in Rickert nicht gegeben. Wenn es brannte, waren es immer einzelne Häuser. Nicht nur der Blitz war oft die Ursache, sondern auch der Umgang mit dem Feuer. Bis in dieses Jahrhundert hinein wurde hier und da noch über offenem Feuer gekocht.



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